Sonntag, 24. Oktober 2010

Tag 23, Pjöngjang

Mike drängt mich, Nudelsuppen und Eintopf in der Dose zu kaufen, weil er immer noch davon überzeugt ist, dass ich in Nordkorea nicht genug zu essen bekomme. Wir fahren zum Flughafen, überraschenderweise kein Verkehr. Langes Anstehen bis zum Einchecken, dummerweise ausnahmslos alle 6 Feuerzeuge im Handgepäck gelassen, dazu mein Sackmesser / Besteckset, weil ich am Morgen etwas verschlafen habe und keine Zeit hatte, um nachzudenken, alles wird noch auf chinesischer Seite konfisziert. Im kleinen russischen Flugzeug, voller Parteimitglieder und einigen Touristen sehe ich die schönsten Stewardessen, die ich in meinem Leben gesehen habe. Ein alter Deutscher spricht mich an, ist mir nicht gerade sympathisch, weil er schon auf dem Hinflug Anzeichen von Unterdrückung und Terror zu finden versucht. Ein Parteizeitung auf englisch wird verteilt, völlig überraschend ist Kim Jong Il wieder gewählt worden. Landung auf dem winzigen Flughafen, auf dem vielleicht drei Flugzeuge stehen, eines sieht aus wie im Querschnitt, wurde, wohl auf der Suche nach Ersatzteilen, auseinander genommen. Gründliche Durchsuchung am Flughafen, diverse Touristen müssen ihr gesamtes Gepäck ausbreiten, darunter ein sympathischer Südafrikaner, mit dem ich mich im Flieger unterhalten habe. Alle Handys werden eingezogen, was ich schon vorher wusste und meines deshalb bei Mike gelassen habe, meinen nicht gerade regimetreuen Reiseführer darf ich behalten.



Fahrt durch Pjöngjang, überall sind Menschengruppen, gleichmässig marschierend und kostümiert, am 10.10.10, also in 5 Tagen ist 65. Gründungstag der Partei, wofür überall geübt wird. Die Strassen sind nur sehr leicht befahren, jede zweite Person auf der Strasse trägt Uniform oder diesen bräunlichen Parka, dazu einen roten Pin mit einem Bild von Kim Il Sung auf der Brust. Die Scheiben des Busses haben irgendeine Belag drauf, der alle Fotos milchig werden lässt. Keinem in meiner Gruppe gelingt ein gutes Foto, obwohl die meisten teure Kameras mit grossen Objektiven haben.








Es sind Deutsche und Österreicher in der Gruppe, alle bis auf mich und den Südafrikaner vom Zoll, zwei davon in meinem Alter, der Rest kurz vor oder lange nach der Pensionierung. Unser Hotel liegt auf einer Insel, das damit wirbt, dass man sich auf der darauf frei bewegen kann. Dem ist aber nicht so, das Hotel darf nur mit Guide / Parteimitglied verlassen werden. Wir essen, der Tisch ist voll mit kleinen Teller voll Essen, man kann kaum sein Glas hinstellen, offensichtlich soll hier keine Hungersnot herrschen. Gespräch in der sich drehenden Bar im 43. Stock mit einem dänischen Professor, der hier an einer Asienkonferenz ist. Wir stimmen überein, dass China und seiner Meinung nach auch Nordkorea dem in den westlichen Medien vermittelten Bild nicht entsprechen, hier Leben Menschen und keine Dämonen. Er fügt hinzu, dass es auch hier Veränderung und Fortschritt gebe, diese geschehen aber so langsam und gut versteckt, dass sie für ungeübte Augen schwer auszumachen wäre. Auch er, wie schon Erik im Zug, relativiert das glorreiche skandinavische Bildungssystem, sagt, dass sei, wenn überhaupt, vielleicht vor zehn Jahren so gewesen.

Besuch der mit Aquarien umgebenen Bar, zwischen Seeschildkröten und kleinen Haien dann ein ziemlich heftiges Besäufnis mit meinen zwei Deutschen, dem alten Detektiv aus dem Flugzeug, einem Belgier, der bisher dieselbe Route hatte wie ich und äusserst angestrengt eine ebenso uninteressierte wie hässliche Amerikanerin anmacht, eine von Vielen, die hier ihren letzten Abend haben und so besoffen sind, dass der neben mir vom Barstuhl fällt, worauf der Rest in Gelächter ausbricht. Ich schwanke in mein Zimmer im 32.Stock zurück, die Aussicht ist grandios, die Fenster lassen sich öffnen, der Fluss fliesst links und rechts vom Hotel durch, ich rauche und schaue auf die beinahe dunkle Stadt, Stromsparen ist angesagt.



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