Samstag, 20. November 2010

Neuer Blog – Der Landstreicher reist weiter

Liebe Leserinnen und Leser,

Der Landstreicher musste auf Grund fehlenden Speicherplatzes einen zweiten Blog erstellen, wo seine Reise weitergeführt wird. Ab sofort werden alle Texte, Bilder und Videos seiner Reise auf http://super-tramps-trip-continues.blogspot.com/ geschaltet. 

Beste Grüsse, seine treue Assistentin Rita Lynn.

Montag, 25. Oktober 2010

Tag 25 Teil 1, Kinderpalast, Pjöngjang (Nordkorea)

Ich habe einen ziemlichen Kater, als ich vom Hotelzweckdienst aus dem Schlaf geklingelt werde, meinen Handywecker habe ich ja in Beijing gelassen. Wie am Abend zuvor sassen wir gestern an unserem Stammtisch im 47. Stock der sich drehenden Bar, während rundherum die Lichter der Stadt ausgeschaltet wurden, um Strom zu sparen, tranken das gar nicht mal schlechte nordkoreanische Bier, redeten über den Tag, über deutsche Politik, die Eigenheiten der Schweiz und Österreich, Dialekte, Gerüchte, gute Skigebiete. Die Alten verglichen die Situation hier mit der in der DDR, erzählten Geschichten, fühlten sich mit uns wieder jung und so kam es auch, dass sie mehrere Runden ausgaben und der Abend ziemlich spät wurde.

Ich muss mich zwingen, aufzustehen. Wenn ich liegen bleibe, wache ich erst in ein paar Stunden wieder auf und der Bus wartet nicht. Im Bus unterhalte ich mich mit Yvott, dem Südafrikaner, er sieht irgendwie schlecht aus und ich frage, ob alles in Ordnung sei, frage, warum er nicht zum Frühstück kam, der Tag würde lang werden. Er antwortet, er faste seit gestern und als ich frage wie lange das dauern würde, antwortet er, so lange bis der Herr ihm sagen würde, dass er aufhören kann. In einem Land, in dem nichts ist, wie es scheint, ein Land, das den Begriff „fremd“ in eine ganz neue Dimension erhebt, kommt mir ein christlicher Spinner beinahe normal vor und so denke ich mir nicht viel dabei, wechsle aber doch das Thema. Er erzählt, dass Mandela in Europa wie ein Held gefeiert werde, in Südafrika aber einen zweifelhaften Ruf geniesse. Auch ich bin immer davon ausgegangenen, Mandela sei so lange im Gefängnis gewesen, weil er gegen die Apartheid gekämpft habe. Tatsächlich habe er aber ein Restaurant in die Luft gesprengt, das voller Unschuldiger gewesen sei, darunter auch entfernte Mitglieder von Yvotts Familie, ich nicke zweifelnd. Noch schlimmer sei der gegenwärtige Präsident, gegen den vor Amtsantritt an die siebzig Verfahren liefen, darunter auch mehrere Fälle von Vergewaltigung.


Was für die Muslims Mekka ist für die Nordkoreaner die Gedenkstätte von Kim Il Sung, ein riesiges Gebäude aus Marmor, darin liegt er, fotografieren ist natürlich verboten. Man verneigt sich auf jeder Seite des gläsernen Sarges und alle in der Gruppe, die mir sympathisch sind, weigern sich wie auf ein stummes Signal, stehen kerzengerade da, was von den Wachen mit strengen Blicken quittiert wird. Man bekommt einen Kopfhörer und die deutsche Stimme erzählt, wie die ganze Welt beim Tod des geliebten Führers in einem Meer aus Tränen zu ertrinken drohte. Weinende Menschen aus Marmor schmücken die Wände und die Stimme sagt, die Menschen haben so lange in diesem Raum um den Tod des geliebten Führers geweint, dass sie zu Stein geworden wären. In einem weiteren Raum dann all die Orden, die Kim Il Sung in seinem Leben erhalten hat, jede Diktatur nach dem zweiten Weltkrieg ist dabei, aber auch Frankreich und sogar die U.S.A, Schwarzweissbilder von Kim Il Sung, der Arafat, Castro und Gaddafi die Hand schüttelt.





Ein Ossie wie aus dem Bilderbuch, mit Sandalen und grauen Socken, stellt sich mir sehr förmlich als Norbert vor, erzählt mir die Geschichte, als Helmut Schmidt in seiner Studentenzeit die DDR besuchte und Norbert mit seinen Freunden in das kleine Städtchen fahren wollte, wo Schmidt empfangen werde sollte. Nur wurden sie nicht in das Städtchen gelassen, weil dort von der Bäckerin bis zum Kindergartenkind nur Schauspieler Zutritt hatten, was Schmidt natürlich durchschaute und eine entsprechend ironische Bemerkung dazu machte.

Es ist sehr warm, um die dreissig Grad und alle scheinen ausgelassener, überdrehter, selbst die Führer, als wir eine Galerie besuchen. Der Alte aus dem Flugzeug, den die zwei Bayern in meinem Alter und ich nur den Detektiv nennen, weil er sich zu allem Notizen macht, überall Verschwörung und Gehirnwäsche wittert und den Reiseleiter gerne ins Kreuzverhör nimmt, formt, als wäre es das normalste der Welt, aus einem Stück Ton eine Figur, die wohl Kim Jong Il darstellen soll, stellt sie auf den Fenstersims und geht weiter als wäre nichts geschehen. Nur Thomas, einer der jungen Bayern und ich bemerken es und haben Tränen in den Augen vor Lachen, den Rest des Tages kann ich das hysterische Lachen nicht unterdrücken, wenn ich an die Szene denke. Ich biete dem Führer, der in Kleidung und Gestik etwas von einem Playboy hat, eine Zigarette an, eine der letzten aus der Schweiz und als er das sieht ist der Groll von gestern vergessen. Ich sage, dass in Singapur eine Zigarette auf dem Boden 50 Dollar kostet, was wirklich stimmt und dass ich hier ja noch glimpflich davon gekommen wäre.





Auch die beiden Assistentinnen tauen auf, die kleinere, die mir gar nicht schlecht gefällt, fragt mich in empörend schlechtem englisch aus, Alter, Schule und natürlich wie es mir hier gefällt. Ich frage, was sie studiert, sie antwortet „angersch“, ich frage, „was?“, sie wiederholt und so geht das einige Zeit, bis ich merke, dass sie „englisch“ studiert und noch nicht einmal das Studienfach richtig aussprechen kann. Die andere Assistentin spricht gut englisch, allerdings nur, wenn sie auf eine vorgefertigte Frage eine vorgefertigte Antwort geben kann, wie etwa, wann und wie die Amerikaner den Koreakrieg gegen ihr Volk begonnen hätten (was man uns hier weiszumachen versucht, obwohl jeder in der Gruppe weiss, dass Nordkorea und nicht die U.S.A. 1950 den Krieg begonnen hat). Darauf antwortet sie fliessend, stockt aber, wenn sie interpretieren, Zusammenhänge herstellen oder eine eigene Meinung vertreten muss.



Wir besuchen eine weitere Galerie und auf einem Sockel sitzt ein älterer Herr und betrachtet eine Vase. Ich schaue mir die schönen Bilder an der Wand an, wundere mich aber, dass der Alte in meinem Augenwinkel sich nicht bewegt. Es ist eine Wachsfigur, täuschend echt, selbst von Nahem. Ich hatte gerade vorhin am Tisch mit dem beiden Wienern, Vater Richter und Sohn Arzt eine Diskussion darüber, ob das, was wir gesehen haben, wirklich Kim Il Sung in einem Glassarg sei. Der Arzt hält das für völlig absurd und nickt jetzt vielsagend in Richtung altem Wachsmann. Der Richter und ich schweigen. Es wäre gut möglich, dass der Künstler, der diese Figur gemacht hat und scheinbar erst kürzlich in hohem Alter gestorben ist, postum alle grossen, einbalsamierten, kommunistischen Führer fabriziert hat, Mao, Lenin und Ho Chi Minh.





Wir besuchen den Kinderpalast. Ähnlich wie der Kindergarten am Vortag ist es ein riesiges Gebäude, nur sind die Kinder hier älter, um die 15 und aus dem ganze Land ausgewählt, hier kommen nur die Begabtesten hin. Es soll aussehen, als würden sie freiwillig und beinahe zufällig hierherkommen, um zusammen zu musizieren, tatsächlich spielen sie aber wohl um die zehnmal am Tag dieselben perfekten Stücke, für jede Gruppe Ausländer in Pjöngjang einmal. Viele sehen übernächtigt aus, haben dunkle Ringe unter den Augen, aber die Präzision und Schönheit der Musik ist nichtsdestotrotz beeindruckend. Ein alter Slowake unserer Gruppe, der mich, seit ich ihm erzählte, dass ich Geschichte studiere, zu seinem Hauptgesprächspartner auserkoren hat, nickt bewundernd im Takt, flüstert, das sei noch was, die Kinder von heute sässen ja nur noch vor dem Computer. Ich will ihm widersprechen, doch mir fällt keine Erwiderung ein.

















Sonntag, 24. Oktober 2010

Tag 24, Pjöngjang (Nordkorea)

Es folgt der vielleicht schrägste Tag in meinem Leben. Er beginnt damit, dass ich auf einem Platz, wo die Koreaner hingehen, um sich zu entspannen eine Zigarette rauche, keinen Abfalleimer finde, überall Zigarettenstummel auf dem Boden sehe und, wie aus China gewohnt, meine Zigarette auf den Boden werfe und austrete. Drei Sekunden später taucht ein Parteimitglied mit Pin und braunem Trainer auf, schreit auf mich ein. Ich habe einen Kater, schaue ihn wütend und trotzig an, weiche nicht zurück, obwohl er mich drängt. Der Reiseleiter geht dazwischen, ich entschuldige mich halbherzig. Der Rest der Gruppe ist im Bus, bekommt davon nichts mit, der Reiseleiter muss seinen Ausweis zeigen und ein Formular ausfüllen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, entschuldige mich bei ihm, will nicht, dass er Probleme bekommt. Er fragt genervt, ob es in meinem Land normal sei, seinen Müll überall hinzuwerfen, ich schüttle errötend den Kopf. Im Bus sagt eine seiner beiden Assistentinnen ins Mikrofon, man solle keinen Müll auf die Strasse werfen. Die Gruppe hat die Szene nicht mitbekommen und nickt nur zustimmend, denn es ist nicht die erste Regel, die man uns hier aufträgt. Ich bin froh, wird mein Name nicht genannt, denn wegen mir und der Szene müssen wir fast ein halbe Stunde warten, damit mein Verbrechen auch korrekt protokolliert werden kann.

Wir besuchen eine riesige Bronzestatue von Kim Jong Il, davor sind hunderte Menschen und putzen auf den Knien den Betonboden, was meine Wut nur noch grösser werden lässt. „Der Führerkult ist zu respektieren“ steht im Reiseführer des Alten neben mir, was das bisherige Verhalten der Gruppe ziemlich gut auf den Punkt bringt.









Nach einem Besuch in einem Krankenhaus fragen sich alle, ob das Krankenhaus echt ist. Es hat fast keine Patienten, die Ärzte und Patienten wirken wie Schauspieler, scheinen nicht genau zu wissen, was sie tun. Ein Österreicher in unserer Gruppe ist Arzt und sagt, die Geräte seien zwar alt, aber authentisch. Ganze Stöcke des Krankenhauses sind leer, die meisten Detailfragen nach Ärzte- und Patientenzahl werden nicht beantwortet. Der Südafrikaner und ich beobachten, wie bei einer Patienten aus Versehen die Saugnäpfe vom Rücken fallen, ohne dass auf der Haut Saugspuren zurückbleiben, auch werden sie einfach wieder zurückgestellt, ohne platziert oder mit Druck versehen zu werden, genau so gut könnte man ihr ein leeres Wasserglas auf den Rücken stellen.





Die Bibliothek ist riesig und hat scheinbar über 30 Mio. Bücher, allerdings sind fast keine Leser darin. Man zeigt uns deutsche Bücher über Tiere und Pflanzen, die Audiosammlung, wo man „Yellow Submarine“ von den Beatles laufen lässt. Mit der einen Assistentin versteh ich mich ganz gut und sie fragt mich, ob das neue Musik sei, hat noch nie etwas von den Beatles gehört. Es gibt diese Geschichte, die bei den Reisenden herumgeht, wonach nordkoreanische Spione in den achtziger Jahren anhand von Beatles-Platten englisch gelernt hätten und bei ihren Missionen im Ausland immer sofort enttarnt wurden, weil sie Wörter wie „groovy“ und anderen sechziger Jahre Slang verwendeten. Vom Dach der Bibliothek sieht man auf den Platz, wo am 10.10.10 wahrscheinlich die grosse Parade stattfindet. Hunderte, tausende von Menschen üben Choreographie, es ist verstörend und faszinierend zugleich.










Draussen unterhalte ich mich mit Yvott, dem Südafrikaner. Ich frage, weshalb er am Zoll so auseinandergenommen wurde. Er antwortet, dass er Bibeln ins Land bringen wollte, um sie zu verteilen und die Zollbehörden sie, ziemlich wütend, konfisziert haben. Er fragt, ob ich an Jesus glaube, ich sage etwas zu bestimmt nein. Er sagt, er habe Jesus gefunden und dieser habe sein Leben verändert. Er ist mir sympathisch und mir kulturell nicht so ähnlich wie der Rest der Gruppe, von denen die meisten direkt aus Deutschland kommen und nach Nordkorea wieder dahin zurückgehen. Man merkt, dass sie noch voll in ihrem deutschen Leben sind. Yvott hingegen ist auch schon länger unterwegs, also lasse ich ihm die Jesus-Sache durchgehen, lasse aber durchblicken, dass Missionierungsversuche bei mir nicht fruchten werden und er scheint das zu respektieren. Es lohnt sich, er erzählt von seinem Job als Ingenieur. Er plant Atomkraftwerke und arbeitet an einem Projekt, das zum Ziel hat, auch kleine Städte mit entsprechend kleinen Atomkraftwerken zu versorgen, um den durch die langen Stromleitungen entstehenden Energieverlust auszuschalten.

Endgültig unwirklich wird die Situation, als wir einen Kindergarten besuchen. Ein riesiges Gebäude, in jedem Zimmer kommen uns Scharen von Kinder entgegen gerannt, nehmen uns an den Händen, führen uns zu ihren Spielzeugen, wollen Bauklotzschlösser mit uns bauen, mit uns tanzen, singen, führen perfekte Ballettstücke auf, zeigen uns ihren riesigen Pool, ihren Raum mit ausgestopften Tieren und ohne, dass ich recht merke, was mit mir geschieht, falle ich darauf herein, fühle mich wohl hier, das hungernde Land erscheint als sozialistisches Paradies. Eine isolierte Insel, in der die Menschen keine Steuern und Miete zahlen, gratis zur Schule gehen und von den Verlockungen und Verirrungen des Westens verschont geblieben sind. Eine perfekte Inszenierung mit Schauspielern, die man unmöglich für Schauspieler halten kann, denn sie sind erst sechs Jahre alt. Nach der Abschlussvorführung setzt sich einer der Alten, ein pensionierter Richter aus unserer Gruppe an das Klavier und spielt grandios ein Stück von Strauss, die Kinder und Betreuer klatschen. Danach fragen sie, woher er das könne, ob er auch an einer Spezialschule war und er antwortet nur lakonisch „I'm from Vienna.“ Ich kehre in die Realität zurück, als mich eines der Ballettmädchen an der Hand nimmt und ich Wimperntusche und Lippenstift in ihrem Gesicht entdecke. Das ganze Land ist eine grosse Aufführung. Es verwirrt mich viel mehr, als ich erwartet hätte. Ich bin ein aufgeklärter Mensch, habe mich mein halbes Leben mit Filmen und Texten aus Diktaturen auseinandergesetzt und doch war ich nicht auf die einfachste Erkenntnis vorbereitet, die mich hier wie ein Schlag trifft; Es sind Menschen. Keine Ideologien, keine verrückten Führer, keine Flaggen, keine Paraden. Menschen.













Tag 23, Pjöngjang

Mike drängt mich, Nudelsuppen und Eintopf in der Dose zu kaufen, weil er immer noch davon überzeugt ist, dass ich in Nordkorea nicht genug zu essen bekomme. Wir fahren zum Flughafen, überraschenderweise kein Verkehr. Langes Anstehen bis zum Einchecken, dummerweise ausnahmslos alle 6 Feuerzeuge im Handgepäck gelassen, dazu mein Sackmesser / Besteckset, weil ich am Morgen etwas verschlafen habe und keine Zeit hatte, um nachzudenken, alles wird noch auf chinesischer Seite konfisziert. Im kleinen russischen Flugzeug, voller Parteimitglieder und einigen Touristen sehe ich die schönsten Stewardessen, die ich in meinem Leben gesehen habe. Ein alter Deutscher spricht mich an, ist mir nicht gerade sympathisch, weil er schon auf dem Hinflug Anzeichen von Unterdrückung und Terror zu finden versucht. Ein Parteizeitung auf englisch wird verteilt, völlig überraschend ist Kim Jong Il wieder gewählt worden. Landung auf dem winzigen Flughafen, auf dem vielleicht drei Flugzeuge stehen, eines sieht aus wie im Querschnitt, wurde, wohl auf der Suche nach Ersatzteilen, auseinander genommen. Gründliche Durchsuchung am Flughafen, diverse Touristen müssen ihr gesamtes Gepäck ausbreiten, darunter ein sympathischer Südafrikaner, mit dem ich mich im Flieger unterhalten habe. Alle Handys werden eingezogen, was ich schon vorher wusste und meines deshalb bei Mike gelassen habe, meinen nicht gerade regimetreuen Reiseführer darf ich behalten.



Fahrt durch Pjöngjang, überall sind Menschengruppen, gleichmässig marschierend und kostümiert, am 10.10.10, also in 5 Tagen ist 65. Gründungstag der Partei, wofür überall geübt wird. Die Strassen sind nur sehr leicht befahren, jede zweite Person auf der Strasse trägt Uniform oder diesen bräunlichen Parka, dazu einen roten Pin mit einem Bild von Kim Il Sung auf der Brust. Die Scheiben des Busses haben irgendeine Belag drauf, der alle Fotos milchig werden lässt. Keinem in meiner Gruppe gelingt ein gutes Foto, obwohl die meisten teure Kameras mit grossen Objektiven haben.








Es sind Deutsche und Österreicher in der Gruppe, alle bis auf mich und den Südafrikaner vom Zoll, zwei davon in meinem Alter, der Rest kurz vor oder lange nach der Pensionierung. Unser Hotel liegt auf einer Insel, das damit wirbt, dass man sich auf der darauf frei bewegen kann. Dem ist aber nicht so, das Hotel darf nur mit Guide / Parteimitglied verlassen werden. Wir essen, der Tisch ist voll mit kleinen Teller voll Essen, man kann kaum sein Glas hinstellen, offensichtlich soll hier keine Hungersnot herrschen. Gespräch in der sich drehenden Bar im 43. Stock mit einem dänischen Professor, der hier an einer Asienkonferenz ist. Wir stimmen überein, dass China und seiner Meinung nach auch Nordkorea dem in den westlichen Medien vermittelten Bild nicht entsprechen, hier Leben Menschen und keine Dämonen. Er fügt hinzu, dass es auch hier Veränderung und Fortschritt gebe, diese geschehen aber so langsam und gut versteckt, dass sie für ungeübte Augen schwer auszumachen wäre. Auch er, wie schon Erik im Zug, relativiert das glorreiche skandinavische Bildungssystem, sagt, dass sei, wenn überhaupt, vielleicht vor zehn Jahren so gewesen.

Besuch der mit Aquarien umgebenen Bar, zwischen Seeschildkröten und kleinen Haien dann ein ziemlich heftiges Besäufnis mit meinen zwei Deutschen, dem alten Detektiv aus dem Flugzeug, einem Belgier, der bisher dieselbe Route hatte wie ich und äusserst angestrengt eine ebenso uninteressierte wie hässliche Amerikanerin anmacht, eine von Vielen, die hier ihren letzten Abend haben und so besoffen sind, dass der neben mir vom Barstuhl fällt, worauf der Rest in Gelächter ausbricht. Ich schwanke in mein Zimmer im 32.Stock zurück, die Aussicht ist grandios, die Fenster lassen sich öffnen, der Fluss fliesst links und rechts vom Hotel durch, ich rauche und schaue auf die beinahe dunkle Stadt, Stromsparen ist angesagt.