Donnerstag, 23. September 2010

Tag 3, Transsibirische Eisenbahn, Moskau – Irkutsk

Ich hab mich ja schon länger gefragt, wer wohl mit mir im Abteil sein würde, betrunkene Kasachen, brasilianische Tänzerinnen, schmuggelnde Mongolen, vielleicht ja sogar Europäer oder Amerikaner. Es ist Tatjana aus Moskau, um die 50 Jahre alt, Kindergärtnerin. Zuerst hat sie die provodnica, die Zugbegleiterin, mit selbstgemachtem Kuchen und Tee bestochen, damit sie uns extra Laken bringt, die sie mir dann auch bezog, ständig vor sich hin plappernd, als wäre ich einer ihrer Schützlinge. Und so sieht sie mich wohl auch, denn sie hat es zu ihrer Aufgabe gemacht, mir russisch beizubringen und dies mit einer so sanften, hartnäckigen Geduld, (die sie auch braucht, denn ich habe vor der Fahrt mit meinem Fahrer, derselbe mit den Goldzähnen wie bei der Hinfahrt, ein paar Vodka auf eine gute Reise gehoben und bin nicht ganz bei der Sache) dass mein Vokabular mittlerweile bei 20 Wörtern, inkl. richtiger Aussprache, angekommen ist. Ich wundere mich, dass mich in Moskau überhaupt jemand verstanden hat, so weit war meine Transliteration vom Original entfernt. So bringt Tatjana auch amüsiert ihre Bewunderung darüber zum Ausdruck, dass es mir gelungen ist, mit 5 Wörtern russisch meinen kompletten Proviant einzukaufen.

Das Zugabteil ist winzig, ich frage mich, wie hier 4 Leute reinpassen sollen. Ich will schon lange eine rauchen gehen, habe aber Angst, dass dies ihr Bild von mir als gutem Schwiegersohn zerstört, gerade hat sie mich mit ihrem Telefon photographiert und schickt das Bild des merkwürdigen, lernbehinderten Mitteleuropäers wohl an ihre Familie in Vladivostok. Jetzt schenkt sie mir Tee ein und hält mir Gebäck hin. Ich habe Massen an Proviant eingekauft, für über 1000 Rubel, zusammen mit dem selbstgemachten Zeug, das mir Tatjana beständig aufdrängt, komme ich in Irkutsk wohl an wie ein gemästetes Schwein.

Ich habe so eine Art Partyzug mit Vodkagelagen erwartet, die müssen wohl in einem anderen Wagen stattfinden, denn in unserem sind vor allem Familien und alte Leute, was wohl auch die Temperatur im Wagen, sicher um die dreissig Grad und meine damit verbundene Müdigkeit erklärt. Spokocnoj noci.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen