Donnerstag, 23. September 2010

Tag 10, Nauski / Grenze Russland - Mongolei

Endlich habe ich wieder mal gut geschlafen, das Geräusch der Gleise und die Vibration des Zuges wirken wunderbar einschläfernd. Als ich erwache hat sich die Landschaft komplett verändert, Steppe, Hügel, karge Landschaft, kleine, ärmliche Dörfer, umgeben von hölzernen Schutzwällen wie in dem berühmten kleinen gallischen Dorf, das es wagt den Römern Widerstand zu leisten. Hier ist die Natur der Feind, so schön sie auch ist. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man hier überlebt, vor allem im Winter. Es hat nichts, ein paar vereinzelte Kühe und der Boden sieht nicht aus, als würde darauf mehr als Gestrüpp wachsen.

Nach Abteildurchsuchungen und Befragungen der russischen Grenzwächter endlich in der Mongolei angekommen. Die Toiletten werden vor und nach der Grenze geschlossen, wir warten über vier Stunden an der Grenze und dementsprechend gross ist der Andrang vor den Toiletten nach der Grenze. Die Atmosphäre im Zug ist völlig anders als noch auf der Fahrt von Moskau nach Irkutsk, alle können in irgendeiner Sprache miteinander reden, teilen ähnliche Erfahrungen, es hat etwas von einer Gemeinschaft. Zu diesem Bild passt, dass wir seit Nauski (der Grenzstadt) nur die Lokomotive und einen Wagen haben, „the tourist train“ nennt ihn Ruth. Eine Gemeinschaft von Reisenden, eine spezielle Art von Menschen, irgendwie befreiter und offener als die Leute, die man sonst so trifft. Viele kommen zu mir und fragen mich nach Nordkorea, Preise, Touren, Visa, niemand hat bisher ernstlich in Betracht gezogen dort hinzureisen. Ich könnte ein Buch füllen mit all den Tipps für Indien, Nepal, Kambodscha und eben Laos, welches jetzt definitiv auf meiner Reiseroute steht. Ich ertappe mich dabei, nach all der Zeit allein oder in russischer Gesellschaft, etwas aufdringlich und zu gesprächig zu sein und muss mich zurückhalten, nicht jeden Reisenden voll zu labern, den ich beim Samowar oder rauchen treffe. Es hat ein französisches Mädchen im Nachbarabteil, mit dem ich mich nett unterhalte und die mich manchmal verstohlen, manchmal ganz offen ansieht, aber hier hat man einfach keine Möglichkeit für einen ungestörten Moment.

Halt in der Mitte der Nacht an einem Bahnhof, voll von Leuten, die nicht auf einen Zug warten, sondern einfach herumstehen und plaudern, sicher die Hälfte davon sind Kinder. Chris erzählt, dass über 50 % der mongolischen Bevölkerung unter 14 Jahren alt ist (!). Die Mongolen sind gesprächiger als die Russen, alle plaudern, Kinder und Hunde tollen umher, es wird gelacht, Gewürzdüfte liegen in der Luft. Ich stehe da und rauche, als ein vielleicht vierjähriges Mädchen an der Hand zwischen Mutter und Vater stehen bleibt und mich aus grossen Augen ansieht. Die Mutter führt es zu mir zeigt auf mich und dann gehen sie weiter, als wäre ich ein exotisches Tier.

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